Jacob Krall
(1857-1905)
 
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Jacob Krall konnte aufgrund seiner kurzen Amtszeit (1890—1905) — er verstarb bereits mit 48 Jahren — nur die Brücke zwischen Leo Reinisch und Hermann Junker bilden, was seiner Bedeutung für die Ägyptologie keinen Abbruch tut.

Krall beschäftigte sich hauptsächlich mit den demotischen, koptischen und griechischen Papyri, Chronologie und Quelleninterpretation.

Jacob Krall wurde am 27. Juli 1857 in Volosca (Istrien) als Sohn von Nikolaus Krall, einem Beamten des Salinenamtes geboren. Der Vater wurde von Volosca nach Triest versetzt, als Jacob gerade einmal drei Wochen alt war. Im glücklichen Elternhaus befand sich eine umfangreiche, historische Bibliothek und durch einen Gymnasiallehrer, der sich mit Mathematik und Astronomie beschäftigte, wurde Kralls Interesse schon früh für seine späteren Kalenderstudien geweckt. Ebenso faszinierten ihn schwierige Schriftsysteme, eine ausgezeichnete Grundlage für seine folgenden ägyptologischen Studien.

Seine Ausbildung erhielt er am Staatsgymnasium in Triest, wo er 1875 maturierte, sowie in Athen und Wien, wo er von 1879—1880 studierte und darauf setzte er seine ägyptologischen Studien am Collège de France und im Louvre 1880 fort.

Zwei Lehrer prägten Krall an der Universität Wien: Der Universalhistoriker Max Büdinger (1828—1902) und der Linguist Leo Reinisch (1832—1919). Die Hingabe von Reinisch für das Kuschitische teilte Krall nicht. Er beschränkte sich auf das Ägyptische, das in wechselnder Schrift und Sprache, von den Hieroglyphen über das Hieratische und Demotische (800 v. Chr.—500 n. Chr.) im Koptischen mündet und so eine Zeitspanne von 5000 Jahren umschließt. Die großen Entdeckungen für die spätere Wissenschaft der Ägyptologie beginnen mit der Auffindung der dreisprachigen Inschriften von Rosette (1799) und deren Entzifferung durch Jean Francois Champollion (1790—1832) im Jahre 1822. ("Lettre à M. Dacier, relative à l’alphabet des hiéroglyphes phonologiques, employés par les Egyptiens pour inscrire sur leurs monuments les titres, les noms et les surnoms des souverains grecs et romains."). Diese wissenschaftliche Beschäftigung wurde von so bedeutenden Ägyptologen wie Ippolito Baldessare Rosellini (1800—1843, Italien), Vicomte Emanuelle Charles Oliver Camille de Rougé (1811—1872, Frankreich), Samuel Birch (1813—1885, England), Richard Lepsius (1810—1884, Deutschland) oder Leo Reinisch (1832—1919, Österreich) weitergeführt und enden mit den Publikationen von Reinisch und Rösler über den Stein von Tanis (1865). Zunächst folgte die Zeit der Sicherung des Bekannten und dessen Ausbau durch die Gelehrten der ganzen Welt.

Krall gehörte als Spezialist für das Demotische dazu, indem er von hinten, also vom Koptischen zum Demotischen und Hieratischen zu den Hieroglyphen wieder emporstieg. 1879 promovierte er zum Dr. phil. 1881 habilitierte er sich für alte Geschichte des Orients. Krall wurde 1890 zum außerordentlichen Professor für dieses Fach berufen, gleichzeitig wurde er korrespondierendes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien.

1890 verbindet Krall die so genannte Puntfrage mit den "Hamiten" (vgl. Rohrbacher 2002: 255). Im Jahre 1900 wurde Krall zum ordentlichen Professor dieses Faches ernannt und nach der Pensionierung von Leo Reinisch auch mit der Professur für Ägyptologie betraut. Untrennbar verbunden ist Kralls Name mit dem demotischen "Petubastis-Zyklus", einer Erzählung aus dem römischen Ägypten in 115 Fragmenten, die an der Österreichischen Nationalbibliothek unter den Signaturen Pap D 6521—6609, 6610—6611 und 6661 A aufliegen. Dieser Papyrus gehört zu den Papyri der berühmten Sammlung Erzherzog Rainer (1827—1913), dem großen Förderer und Mäzen der Wissenschaften. Dieses Dokument gelangte mit vielen anderen Papyri durch den Teppichhändler Theodor Ritter von Graf (1840—1903) 1884 aus dem Fajjum nach Wien (siehe Karabacek 1883).

Da im Papyrus Krall einige Fragmente fehlten, die erst viel später durch die vollständige Sichtung des Materials zugeordnet werden konnten, liegt die vollständige Bearbeitung erst durch die italienische Ägyptologin Edda Bresciani von der Universität Pisa vor, die 1964 als Publikation der Österreichischen Nationalbibliothek erschien und zwar inklusive einer photographischen Textwiedergabe.

Krall selbst hatte den Papyrus 1897 unter dem Titel: "Ein neuer historischer Roman in demotischer Schrift: eine Übersetzung mit philologischen Anmerkungen" publiziert, die 1910 von Wolfgang Spiegelberg (1870—1930) neu transkribiert und übersetzt wurde ("Der Sagenkreis des Königs Petubastis") und nochmals 1954 durch den flämischen Ägyptologen B. H. Stricker mit interessanten Anmerkungen versehen wurde ("Der strijd om het pantser van Koning Inahrow"). Neben seinen demotischen Studien trat Krall durch seine Quellenkritik ("Die Komposition und die Schicksale des Manethonischen Geschichtswerkes", 1879) und der Behandlung des schwierigen Problems des ägyptischen Kalenders ("Studien zur Geschichte des alten Ägypten" 1, 1881) hervor und berichtigte die Erkenntnisse so bedeutender Ägyptologen wie Richard Lepsius und Brugsch Pascha (1827—1894) in dessen Werk "Matériaux pour servir à la reconstruction du calendrier des anciens Egyptiens" (1864). Erst 1885 reist Krall, gemeinsam mit dem deutschen Ägyptologen August Adolph Eisenlohr (1832— 1902) nach Ägypten und erreicht Assuan und Philae. Auf seiner Rückreise an Bord einer Dahabieh [=Wohnboot] besichtigte er die meisten archäologisch interessanten Stätten Ober- und Unterägyptens. Im Museum von Bulaq entzifferte er mehrere demotische Papyri, kollationierte altägyptische Papyri und in Theben durchforschte er die Texte der Privatgräber ebenso wie jene Monumente, die für die Geschichte der letzten sieben Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung wichtig waren. Ein Ausflug in eines der thebanischen Königsgräber, von hunderten Fledermäusen bewohnt, hätte ein frühes Ende Kralls bedeuten können, denn beim engen Einstieg, gemeinsam mit einem seiner Eseltreiber, umschwirrten die aufgescheuchten Tiere die beiden Eindringlinge, so dass es ihnen unmöglich war ein Licht zu entzünden, um den Eingang wieder zu finden. Glücklicherweise konnte der draußen wartende "Eseljunge" beide nach einer langen, langen halben Stunde aus ihrem Gefängnis befreien. Nach dieser Reise beschäftigte sich Krall längere Zeit mit historisch-geographischen Studien ("Tyros und Sidon", 1888).

1898 bereiste Krall nochmals Ägypten, findet es jedoch durch den Einfluss der englischen Verwaltung negativ verändert vor, publizierte aber als wissenschaftliches Resultat dieser Reise seine "Beiträge zur Geschichte der Blemyer und Nubier" (1898). Jenseits der Ägyptologie gelang Krall eine hochinteressante und wichtige Entdeckung für die Etruskologie im Agramer Nationalmuseum, wo verschiedene Mumienbinden, die mit einer Schrift versehen sind, die man als eine bislang unentzifferte ägyptische ansah, von Krall jedoch als erstem als etruskisch erkannt wurden. Er edierte diese von etwa 1300 Wörtern als "Agramer Mumienbinde" bekannten Texte, konnte sie jedoch nicht entziffern. (Der etruskischen Schrift liegt ein westgriechisches Alphabet zugrunde, das man mittlerweile zwar lesen, aber bis heute nur mangelhaft verstehen kann, da eine echte Bilingue fehlt. Etruskisch ist jedenfalls eine nichtindogermanische Sprache).

In Kralls Nachlass fanden sich Vorarbeiten zu einem beabsichtigten etymologischen demotisch-koptischen Wörterbuch. Privat war Krall ein eher scheuer, zurückgezogen lebender Mensch, immerhin stand ihm aber eine Tochter des Historikers Max Büdinger als Lebensgefährtin zur Seite, die ihn auch während seiner plötzlich aufgetretenen Erkrankung bis zu seinem Tod am 27. April 1905 in Wien pflegte.

BIBLIOGRAFIE

Bresciani, Edda, Hg. (1964): Der Kampf um den Panzer des Inaros (Papyrus Krall). Wien: Österreichische Nationalbibliothek

Karabacek, Josef von (1883): Die Theodor Graf’schen Funde in Ägypten. Wien

Krall, Jacob: siehe Werkeverzeichnis

Müller, David Heinrich (1905): Nachruf. Jakob Krall. (Geb. 27. Juli 1857, gest. 26. April 1905). In: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 19: 251— 262)

Rohrbacher, Peter (2002): Die Geschichte des Hamiten-Mythos (=Veröffentlichungen der Institute für Afrikanistik und Ägyptologie der Universität Wien, Beiträge zur Afrikanistik 71). Wien: Afro-Pub

WERKEVERZEICHNIS JACOB KRALL (AUSWAHL)

Krall, Jacob (1879): Die Composition und die Schicksale des Manethonischen Geschichtswerkes. Wien

Krall, Jacob (1880a): Herodot und Diodor. Wien (=Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften 96, März)

Krall, Jacob (1880b): Manetho und Dodor. Eine Quellenuntersuchung. Wien

Krall, Jacob (1880c): Tacitus und der Orient. Sachlicher Comentar zu den orientalischen Stellen in den Schriften des Tacitus. Teil 1: Historien 4, 83— 84. Die Herkunft des Serapis. Wien

Krall, Jacob (1881a): Demotische und assyrische Contracte (Habilitationsrede). Wien

Krall, Jacob (1881b—1888a): Studien zur Geschichte des alten Ägypten. 1., 2: Aus demotischen Urkunden. 3: Tyros und Sidon. Wien

Krall, Jacob (1883a): Das Wiener demotische Papyrus no. 31 (Recueil de Travaux 5). Paris

Krall, Jacob (1883b): Ein Doppeldatum aus der Zeit der Kleopatra und des Antonius. Wien

Krall, Jacob (1886): Die ägyptische Indiction. Wien (Mitteilungen aus der Sammlung Pap Erzherzog Rainer 1)

Krall, Jacob (1888b): Über den ägyptischen Namen Jorophés (Genesis 41, 45). Wien

Krall, Jacob (1895): Corpus papyrorum Raineri. Bd. 2: Koptische Texte. Demotische Lesestücke 1: Rechtsurkunden. Der demotische Theil der Inschriften von Rosette. Der Sethon- Roman. Der Leidener Papyrus I 384. 2. Das Dekret von Kanopos nach den Inschriften von Tanis und Kom el Hisen. Der historische Roman aus der Zeit des Königs Petulastis, fol. 1897—1903. Wien

Krall, Jacob (1897): Ein neuer historischer Roman in demotischer Schrift (Pap. Krall). Wien

Krall, Jacob (1898a): Beiträge zur Geschichte der Blemyer und Nubier. Wien (=Denkschriften der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, phil.-hist. Kl. 46/4)

Krall, Jacob (1898b): Vom König Bokchoris. Innsbruck

Krall, Jacob (1899): Grundriss der altorientalischen Geschichte. Teil 1: Bis auf Kyros. Wien

Krall, Jacob (1902): Neue Ergebnisse aus den demotischen und koptischen Papyrus der Sammlung Erzherzog Rainer. Leyden (5. Verhandlung des 13. Internationalen Orientalistenkongresses

Kralls Bibliographie umfasst ca. 70 Titel, die sich vollständig im Nachruf seines Lehrers D. H. Müller findet, vgl. Müller 1905: 251—262.

verfasst von: Erich Sommerauer

* letzte Änderung: 29.01.2010

zu zitieren nach:

Sommerauer, Erich (2010): Jacob Krall. Verfügbar unter

http://www.afrikanistik.at/pdf/personen/krall_jacob.pdf (Zugriff Datum, Seite)

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